Die frequente Verwendung der deutschen Ausdrücke "zum Kotzen" oder "Ich kotze" als Ausdrücke dissoziativer Wahrnehmung ohne jedwede kritische Einstellung gibt es wahrscheinlich seit der Generation Klaus Manns. Und seitdem hat sich nichts daran geändert: Man ist furchtbar oberflächlich, hat überhaupt keine Ahnung, kein tatsächliches Interesse, kein Talent, man übersetzt seine geistige Unfähigkeit und Verschlossenheit in eine unauffällige Soziopathie, lebt in andauernden Ausschweifungen und Maßlosigkeiten, "zweifelt" ständig "am Leben" und, um all dem eine schöne Fassade zu gewähren, versteckt all das hinter einer flachen Kunst, Literatur- und Philosophiebeschäftigung! Dieser Passus aus Kracauers Essays als Beispiel einer damaligen Gelehrten- und Gesellschaftsbeobachtersbetrachtung: "Klaus Mann ist noch nicht 26 Jahre und hat bereits einen Haufen Bücher geschrieben [...]. Womit ist diese Unmasse Papieres gefüllt? Die Tatsachen [...] scheinen mit Aufrichtigkeit wiedergegeben zu sein; ihre Deutungen dagegen sind überhastet und banal. [...] Unter seiner glatten Oberfläche ist weder Zwang noch Substanz zu spüren. [...] Man könnte milder urteilen, wäre nicht der zum selben Zeitpunkt erschienene Roman [...] einfach zum Kotzen. Einen derart drastischen Ausdruck zu gebrauchen, scheue ich mich um so weniger, als ihn der Autor selber in seinem Roman wieder und wieder verwendet. Gespräch zwischen einer Mutter und ihrem Sohn: 'Sie erhob sich aus einem Plüschsessel, um zu ihm ans Bett zu treten. '"Du siehst noch grün aus, wie Ausgekotztes", stellte sie angewidert fest' [...]. Gespräch zwischen zwei jungen Liebenden, in Afrika nach dem ersten Haschischgenuß: 'Kotzen! Fest kotzen!' bat er von Herzen. 'Kotz auf den Boden!', riet er ihr. Aber sie sagte verzweifelt: ' Es kommt nichts - es ist ja alles ganz trocken'. Ist hinzuzufügen nötig, daß der Roman in der Berliner Gesellschaft spielt? Genauer gesagt: er spielt in jenen Berliner Kreisen, die Klaus Mann anscheinend besonders gut kennengelernt hat. Sie bestehen aus Mädchen und Jünglingen, die sich sehr wichtig vorkommen und vor lauter Wichtigkeit manchmal am Leben zweifeln, aus Künstlern und Literaten, die in großindustrielle Zirkel hineinragen, und aus irregulären Bohemiens, die sich dämonisch gebärden. Das zergliedert sich ununterbrochen selbst, schwätzt Edelmakulatur, mixt Drogen, verwechselt Paris mit einer Dépendance von Berlin und hat genug Geld, um die Erotik als Hauptmetier zu betreiben. [...] Hemingway hat das getan. Aber Klaus Mann mit seinem Schreibtalent schreibt das schmierige Leben einfach ab, ohne ihm irgendeine Bedeutung zu entnehmen, und fühlt sich noch wohl dabei". Siegfried Kracauer, "Zur Produktion der Jungen", Gesamtwerke, Band 5, 102-107.