Die fliegende Vernunft oder was kann die Vernunft, welche dem Käfig der Evidenz entkommen ist, wieder einfangen?

Deine Trauernden,
Schweigen heute alle,
Denn die Frechheitsmunde,
Schreien heute alle,
Du bist es würdig,
Um dich, 
Still zu trauern,
Denn von Bestien beängstigt sind alle,
Hilfe vor diesem hypokritischen Volk, 
In dieser scheinheiligen Stadt,
Denn Weindealer abends, 
Und Moralpolizisten sind morgens alle,
Was tat mit dem Garten dieses neurotische Fieber,
Denn die Turteltauben in jeder Ecke,
Streifen wieder umher alle,
O du jeder Tropfen, 
Regne vom Horizont jeder Wolke,
Denn Gärten und Wiesen,
Hören auf deinen Gesang alle,
Obschon die Bars geschlossen und die Freunde heute,
Die Zunge im Zaum halten, 
Und vor Schreien schweigen alle,
Ich schwöre auf deine Treue,
Alle leidenden Freigeister auf deinen Namen,
Und auf deine Erinnerung,
Trinken sie morgen alle!

Mohamadreza Shafiee-Kadkani, Hesāreh-ye dowom-e āhu-ye kuhi, S. 140, Übersetzung aus dem Persischen von M. P. Tochahi

Das weibliche Dasein als Totalitätsproblematik: Die Frau als die beiden Geschlechter Gebärende ist der Ausdruck eines menschlichen Ganzen, der Ursprung eines leiblichen Seins!

Bis wir wissen, wer ein Philosoph ist: Wer ist nochmal ein Philosoph? Philosoph ist jener beim Anschauen der Welt kalte und gefühllose Mensch, der jedoch imstande ist, die ganze Menschheit mit seinen Gedanken ewig aufzuwärmen!

Die mediale Stiftung unserer Lebensweise. Wir sind nicht nur das, was wir sind. Wir sind auch das, was wir medial erhalten (2): Ich verfolge die Nachrichten und sehe, wie Trump-Lumpen das US-amerikanische Kapitol gestürmt haben. Ein Fernsehkorrespondent behauptet, die Demokratie sei in Gefahr. Ich höre in Nachrichten, wie die Rechtsradikalen überall in Europa auf dem Vormarsch sind. Ein Kommentator behauptet, sie können gefährliche Gesetze verabschieden, nachdem deren Vertreter ins Parlament hineingeschlichen sind. Ich lese eine Zeitung und merke, wie ein Journalist durch gewisse Zahlen und Statistiken, die mir so gut wie gar keine Bedeutung haben, behauptet, das skrupellose China überhole die USA und werde bald zur Wirtschaftsmacht Nummer 1. Diese Behauptungen werden zu Überzeugungen, wenn ich bemerke, dass sie nicht nur von einem einzigen Medium, sondern von sehr vielen unter ihnen gleicherweise wiederholt werden. Die Wiederholung einer Behauptung, d. i. die Repetition eines vermuteten So-seins durch uneingeschränkte und scheinbar verbindungslose Anzahl des Vermutungsagenten erschafft ein eigenständiges Sein, eine zweifellose Konstante. Was die Motivation ist, die Zukunft düster darzustellen und Menschen in einem dauerhaften Angstzustand zu behalten; Wie und durch welche Mechanismen Journalisten aus unterschiedlichen Medien harmonisch ein Thema bearbeiten und woher die Ideen, die ursprünglich in der journalistischen Arbeit überhastete, unreflektierte und durch die emotionale Peripherie des Ereignisses bestimmte Deutungen der Welterfahrung sind, kommen, sind medientheoretische Fragen, die mich gerade nicht interessieren, obgleich sie auch tiefgründige philosophische Aspekte aufweisen können. Mich interessiert der Aufbauvorgang des modalen So-seins in einem infinitiven Sein, so dass ich das So-sein für das Sein halte und es nicht mehr hinterfragen kann. Ich denke über den Sturm auf das amerikanische Kapitol nach, über die Entwicklung des Rechtsextremismus in Europa oder über die wirtschaftliche Weltmacht Chinas. Ich bin aufgrund der angedeuteten thematischen Wiederholung desgleichen durch eine mediale Mannigfaltigkeit von seiner mir übermittelten Bedeutung überzeugt, erzähle es genauso weiter oder baue auf ihm kategorial weitere Gedanken auf, als wäre es mein eigener Gedanke. Ich „checke“ gar nicht mehr z.B., dass die westliche Demokratie mit der amerikanischen Führung in der Tat wie ein Wolkenkratzer ist, bei dem alle diesen Vorkommnisse nichts anderes bedeuten, als würde man ein kleines Loch in seine Wand bohren!

Die florale Vernunft - Ein Philosoph ist nur dann am Ziel seiner Denkkarriere, auf dem Höhepunkt eines menschlichen Schaffens überhaupt, wenn er sich selbst liest und einsieht, wie "genial" nicht mehr eigentlich ausreicht, um das Denkgeschehene zu beschreiben, und er weiß zugleich, dieses eine Bewusstsein als das höchstmögliche Bewusstsein hat nichts mit einer Selbstzufriedenheit zu tun!

Der Vogel,

Der nicht weiß,

Was die Freiheit ist,

Bekommt eine Erkältung,

Wenn die Tür seines Käfigs auf ist,

Und der Vogel, 

Der auf einem hohen Turm sitzt,

Singt dunkler,

Je heller er sieht,

Wenn er weiß,

Der Vogel ist nur fünf bloße Buchstaben,

Die manchmal,

Nur manchmal,

Aus dem Munde des Himmels herausfliegen!


Leila Kordbatscheh, Harfi bozorgtar az dahân-e panjareh, S. 23, Übersetzung aus dem Persischen von M.P. Tochahi

Die ganze Kunst der Liebe besteht in der Kontinuität, in der Fortsetzung des zweisamen Schicksals!